
Über die Werke von Kafka sind schon viele Rezensionen, Analysen, Interpretationen etc. von Fachleuten, Studenten und Experten geschrieben worden. Uns geht
es in diesem Artikel eher darum, Menschen die eventuell vorhandene Scheu vor Kafkas Texten zu nehmen. „Das Schloss“ ist sicherlich keine einfache Lektüre, wenn es um den Inhalt geht. Es ist aber
nicht schwer zu lesen.
Worum geht es:
Es geht um den Landvermesser K., der in ein Dorf kommt, in dem er seine Arbeit ausüben soll. Er ist vom dortigen Schloss angefordert worden. Doch er ist von Anfang
an in dem Dorf nicht gern gesehen. Er bekommt die Beamten des Schlosses nicht zu Gesicht, mit denen er die Dinge klären sollte. Daher kann er seiner Tätigkeit nicht nachgehen. Er bekommt zwei
Gehilfen an seine Seite gestellt, die jedoch nicht die geringste Ahnung von der Landvermessung haben, sondern vom Schloss abgeordnet wurden, um ihn zu unterhalten und über ihn im
Schloss Bericht zu erstatten.
Klamm ist der Name eines Beamten, den K. unbedingt sprechen will. Dieser befindet sich in einem Gasthaus, in das K. eines Abends geht, um sich Zutritt zu Klamm zu
verschaffen. Dort trifft er auf Frieda, die Klamms Geliebte ist, sich dann aber spontan mit K. davonmacht und ihn heiraten will. Vorgelassen wird K. zu Klamm nicht. Die Wirtin des Gasthauses, in
dem K. am ersten Abend ankommt, hält nichts von K. und macht ihn fortwährend schlecht. Auch seine Ambitionen, ständig zum Schloss zu kommen, findet sie verwerflich. Sie versucht Frieda von ihm
abzubringen. Als das nicht funktioniert, wirft sie die beiden hinaus.
K. nimmt auf Drängen von Frieda eine Stellung als Schuldiener an, die der Dorfvorsteher K. anbietet – sehr zum Leidwesen des Lehrers, der sich offen feindselig
gegenüber K. verhält. Nun schlafen also K., Frieda und die beiden Gehilfen im Turnraum der Schule. Die Gehilfen machen sich offensichtlich an Frieda heran, tun dies aber immer als Spaß ab. Der
Morgen beginnt katastrophal, denn die ganze Bagage verschläft und nichts ist fertig als die Lehrerin mit der Klasse hereinkommt. Der Lehrer kommt hinzu und will K. gleich entlassen. K. verweigert
sich der Entlassung und wirft dafür die ungehobelten Gehilfen endgültig heraus. Sie stehen fortan im Hof und versuchen durch Flehen wieder aus der Kälte in die Wärme zu
gelangen.
Als K. die Familie des Boten Barnabas aufsucht, um zu schauen, ob dieser nun endlich eine Nachricht von Klamm hat, wird er von den beiden Schwestern Olga und Amalie
zum Bleiben überredet. Olga, die im Wirtshaus von den Knechten regelmäßig vergewaltigt wird bzw. sich als ihre Prostituierte verdingt, damit ihre Familie überleben kann, erzählt K. von der
Ächtung ihrer Familie. Amalie wurde von einem Sekretär zu sich gerufen nach einem Feuerwehrfest. Diesem Ruf folgte sie aber nicht, sondern wirft dem Boten die Nachricht zerrissen ins Gesicht.
Anders als Frieda, die Klamms Ruf bereitwillig gefolgt ist. Dieses Verhalten zerstört die Familie. Alle Dorfbewohner wenden sich von ihnen ab, obwohl es eigentlich gar keinen Grund gibt und auch
das Schloss dies offiziell nicht verlangt.
Da Frieda vermutet, dass K. sie mit den Schwestern betrogen hat, brennt sie mit Jeremias, einem der Gehilfen, durch und fängt wieder im Ausschank des Wirtshauses
an. K. erhält die Botschaft, dass er ebenfalls in das Wirtshaus kommen soll, denn einer der Beamten mit Namen Erlanger wolle ihn sprechen. Doch als er vorgelassen werden soll, schläft dieser
Beamte. K. versucht Frieda zurückzugewinnen, was ihm aber misslingt. Müde von all den Misserfolgen gerät er in das Zimmer eines Sekretärs, in dem er schließlich während des Gesprächs einschläft.
Grob wird er von Erlanger geweckt, der auf ihn gewartet hat, nur um ihm zu sagen, dass Frieda unbedingt wieder im Ausschank arbeiten müsse. Auch wenn Klamm das egal sei, sie müssten dafür sorgen,
dass alles nach Klamms wünschen sei.
Peppi, die Friedas Stelle im Ausschank kurze vier Tage innehatte, erzählt K. am nächsten Morgen ihre Version der Geschichte, in der Frieda alles andere als gut
wegkommt. Für sie war das alles ein Plan, den Frieda geschickt ausgeführt hat.
Das Manuskript von Kafka bricht vor dem Ende der Geschichte ab. Zwar gibt es auch Ausgaben, in denen die Geschichte weiter geschrieben wurde von Kafkas Freund Max
Brod. In dieser Ausgabe aus dem Manesse-Verlag ist ausschließlich der Text von Kafka enthalten. Des Weiteren gibt es ein Nachwort von Norbert Gstrein, das den Lesern tiefere Einblicke in das Werk
gibt.
Die Behörden in diesem Werk üben eine ungeheure Macht aus. Die Menschen in dem Dorf sind ihnen ausgeliefert. Das geht sogar so weit, dass sich die Mädchen des
Dorfes dem Ruf eines Beamten nicht ohne Folgen widersetzen dürfen (wie es zum Beispiel die Schwester von Barnabas erleben musste). Die Beamten entscheiden über alle Fragen des Dorflebens, sind
aber andererseits unerreichbar für die Menschen. Erstaunlich ist, dass in keiner Zeile Sanktionen von den Behörden verhängt wurden. Vielmehr ist es so, dass die Menschen im Dorf in einer Art
vorauseilendem Gehorsam agieren und den Beamten eine solche Ehrfurcht entgegenbringen, die einem Außenstehenden wie K. nicht einleuchtet. Da wir die Geschichte aus der Perspektive von K. erleben,
verstehen wir das Verhalten der Dorfbewohner ebensowenig.
Ob K. nun tatsächlich ein Landvermesser ist oder ob es sich dabei um eine Lüge handelt, die gerne vom Schloss mitgespielt wird, bleibt ein Rätsel. Ich habe die
Lektüre so empfunden, dass K. seinen Platz in der Dorfgemeinschaft nicht erlangen kann. Auf einer abstrakteren Ebene gesehen, geht es um den Platz in der Gesellschaft, die manchen Menschen
verweigert wird. K. kann diesen Platz nur einnehmen, wenn die Behörden ihm diesen genehmigen. Dazu kommt es aber nicht, so dass K. die Anerkennung als Mitmensch verweigert
wird.
Vielleicht ist „Das Schloss“ nicht das geeignetste Werk, um in die Texte von Kafka einzusteigen, aber es ist sicherlich auch nicht der schwierigste Text von ihm.
Was zum Verstehen der Lektüre sehr hilfreich sein kann, ist eine Diskussion mit anderen, die das Werk ebenfalls gelesen haben. Und sei es nur, um mit dem Text nicht allein zu bleiben.
Außerdem benötigt man Durchhaltevermögen, denn "Das Schloss" hat keinen wirklichen Spannungsbogen, vielmehr erscheint es einem wie ein Albtraum, bei dem man immer wieder das gleiche Ziel
erreichen will, aber auf unterschiedliche Art und Weise immer wieder scheitert. Ich habe mich ganz schön durchkämpfen müssen, fand es dann abschließend aber doch lohnenswert. Welches Ende Kafka
sich wohl überlegt haben mag für K.? Ohne das Ende steckt K. in seinem Dilemma fest und wird bis in alle Ewigkeit seinen Weg zum Schloss suchen. Was für eine deprimierende
Vorstellung.
Wir danken dem Manesse-Verlag für das Leseexemplar. Die Ausgaben der Manesse Bibliothek sind
besonders schön und hochwertig gestaltet und eigenen sich hervorragend als Geschenk für bibliophile Leserinnen und Leser.
Eine lesereiche Zeit wünscht
Ihre Tanja Drecke
Details zum Buch:
Mit einem Nachwort von Norbert Gstrein
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 608 Seiten, 9,0 x 15,0 cm
ISBN: 978-3-7175-2458-8
€ 25,00
Verlag: Manesse
Gleich bestellen: 04161-9999700 oder im Shop.